„Die haben mir meine Zukunft geklaut.“ Brexit – die jungen, weltoffenen Leute sind die Gelackmeierten. Vielleicht müssten sie mal wieder gegen die Älteren rebellieren.
Und nun? Nun verteufeln die EU-Exit-Anhänger diese schöne Idee einer freieren Welt. Es gibt leider genügend engstirnige Leute europaweit, die gern die EU zum Teufel jagen würden. Dieser befremdliche Cocktail aus Heimat, Abgrenzung, einer diffusen Harmonie – dieser Cocktail manch populistischer Rattenfänger führt in die Irre. Leben diese in nicht erlebten, verklärten Zeiten vormaliger Nationalstaaten? Dabei leben sie doch – überzeichnet formuliert – in Saus und Braus. Ich habe weder Krieg, Hunger noch Diktatur erlebt – Gott sei dank, Dank meiner Vorfahren, dank einer europäischen Idee.
Brexit, Exit. Die junge Generation darf nun durchleiden, was es womöglich am Ende bedeutet, mit weniger Wohlstand, weniger Lebenschancen, weniger Lebenszufriedenheit, weniger Teilhabe zu erleben. Diese ganze Rückwärts-Verheißungen, wem bringen sie eigentlich was? Der jüngeren Generation gewiss nichts, sie darf nun das Brexit-Votum ausbaden.
Zeit für eine kleine Rebellion
Ihnen wird mit dem Brexit die Chance geraubt, jenes zu erleben, was wir erleben durften – in einem freieren Europa. Beinahe schon dreist, jüngeren Menschen auf viele Jahre etwas vorzuenthalten, was nach Freiheit, Demokratie, Leben schmeckt. Und in UK haben überwiegend ältere Briten gegen die EU gestimmt, die Jüngeren, weltoffeneren Leute vornehmlich für die EU.
Das soll logisch jetzt nicht bedeuten, dass die Alten willentlich den Jungen die Zukunft vermiesen wollen. Es ging beim Brexit um mehr: um Perspektivlosigkeit, Machtlosigkeit, Denkzettel an Die-da-Oben, um den Niedergang des Lebensstandards vieler Menschen. Es gibt viele Briten, die abseits der Metropolen und jenseits der Öffentlichkeit ihr Dasein fristen. Es ging auch um den Hass auf Fremde, der wissentlich geschürt wurde.
All die Exit-Anhänger machen Europa enger, kleinkarierter, verschlossener – schlicht unfreier. Das hatten wir schon mal, brauchen wir nicht mehr. Es ist vielleicht Zeit, dass die jungen Leute von ihren Smartphones aufblicken und um ihre Zukunft kämpfen. Um ihre Werte, um Europa, um eine reformierte EU, um Demokratie, gegen sinnfreien Nationalismus. Womöglich helfen sie, den bitter nötigen Neustart der jetzigen EU mitzugestalten. Denn ihr künftiges Dasein wird beileibe nicht so heimelig und rentensicher wie das der heutigen, älteren Generation sein.
Zeit, als junge, mündige Bürger auch endlich zu wählen
Vielleicht Zeit für eine kleine Rebellion. Vielleicht Zeit, respektvoll gegen die Altvorderen aufzumucken. Und vielleicht ist es auch an der Zeit für die jungen Leute, als mündige Wähler auch wählen zu gehen – dies haben nämlich viele beim Brexit-Votum verpennt.
Vielleicht kommt dieser Brexit – gesamteuropäisch gesehen – gerade noch zur rechten Zeit. Wenn die Briten nun in den kommenden Jahren schmerzhaft lernen, was ihnen entgeht, entfachen sie vielleicht mehr Feuer für die Europäische Union, als sie bisher mit all ihren Sonderwegen und Sonderkrediten zu entzünden bereit waren.
Die weltoffene Jugend wird sich vielleicht dereinst wieder aufraffen und der EU wieder beitreten wollen. Bis dahin guckt sie in die Röhre. Vielleicht wird bis dahin auch die EU reformiert sein, was man aber schon etwas bezweifeln kann. Jetzt kommen erst mal wieder viele Gipfel, Sonntagsreden, viele Nachtschichten für Nachrichtenredaktionen. Und vielleicht kommen auch jetzt die Schotten zur EU. Camerons Nachlass: ein zerbröseltes UK?